Wer kann schon von sich behaupten, in der
Steinzeit
gelebt zu haben?
Genauer gesagt: Zum Ende der Jungsteinzeit, 5500 Jahre vor heute, kurz
vor der Bronzezeit, als Zeitgenossen Ötzis?
Wir! Und zwar als Teil einer dreizehnköpfigen Sippe, bestehend
aus sieben Erwachsenen und sechs Kindern.
Oder: Zwei Kleinfamilien mit jeweils drei Kids, zwei Junggesellen und
eine Oma.
Also: Seien Sie bitte nett zu uns, wir könnten schließlich Ihre Urahnen sein!
Pfahlbaumuseum Unteruhldingen, direkt vor dem Einzug in unser Dorf, welches im
Hinterland des Bodensees in ca. 30 km Entfernung liegt.
Foto: Schöbel
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Eingezogen sind wir in unser
Dorf
im Sommer 2006 (Ende Juli)
und sollten zwei Monate dort leben
und arbeiten. Es war zwar ein
Fernsehprojekt, es gab aber keinerlei
Regieanweisung: Wit konnten im Prinzip
machen, was wir wollten.
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Acht Wochen lang,
abgeschirmt von der Außenwelt, in einem möglichst
authentisch nachgebauten jungsteinzeitlichen
Dorf. Zugegeben: "Dorf" ist etwas übertrieben, denn es bestand
aus einer Wohnhütte von ca. 4 x 6 Metern, einem
Vorratshaus und einem Neubau, also einem Hausgerippe ohne
Wände und Dacheindeckung. Alle drei Hütten standen auf
Pfählen. Nach Ende des Projektes wurden die Hütten in das Pfahlbaumuseum Unteruhldingen verlegt, wo man sie
besichtigen kann.
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Das Wohnhaus links mit Veranda
direkt am Weiher.
Unten an der Leiter liegt
ein Einbaum.
Alles sehr romantisch.
Aber die Romantik sollte uns bald
vergehen.
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Foto: SWR, Nowak
Dazu die in dieser Zeit üblichen Haustiere: Zwei
Kühe mit einem Kalb, vier Ziegen, zwei Wollschweine in den
Pferchen hinter dem Wohnhaus.
Diverse Fische in dem dazugehörenden Weiher. Eine als
Quelle getarnte Trinkwasserleitung. Das Ganze umgeben
von Wald, der sich allerdings als moorige Fichten- und Birkenmonokultur herausstellte.
Der zum Dorf gehörende Acker
war ca. 2 km entfernt, bestellt mit den für diese Zeit
üblichen Getreidearten,
nämlich Emmer, Einkorn, Nacktweizen und Gerste. Daneben der
mit Weidengeflecht umgezäunte Garten mit
Erbsen, Rübsen (Urkohl), Leinsamen, Schlafmohn und ein paar
Linsen.
Das Vorratshaus war bestückt mit den Vorräten,
die eine dreizehnköpfigen Sippe zu dieser Jahreszeit gehabt
hätte:
Etwas Korn, getrocknete Pilze und Äpfel, Haselnüsse,
Eicheln, ein bißchen Trockenfleisch, Schmalz. Außerdem
Werkzeug aus Knochen, Holz und Feuerstein, Seile, Sehnen,
Knochen, Kochtöpfe aus Ton, Körbe, Lindenbast,
Vorratstöpfe, Birkenpech, Bärenzähne, Rötel, Zunderschwamm, Markasit,
Ton.
Foto: Inge S.,
AÖZA
Jeder hatte zwei Garnituren Wäsche
aus Leinen bzw. Leder: Beinlinge, Lendenschurz, Hemd. Dazu ein Paar
Schuhe aus sämisch gegerbtem Leder, bekannt als
"Römersandalen". Alle Dinge, die nicht in diese Zeit
paßten,
mußten wir in einer Zeitschleuse abgeben: Geld und
Paß, Klamotten, Metallohrring und Brille.
In der Wohnhütte lag ein Haufen Felle: Schaf, Reh,
Ziege, ein Fuchs- und zwei Kuhfelle. Eine Leiter zum
Zwischenboden, an der Wand eine Holzkelle und ein geflochtener Hut, in
der Mitte eine Feuerstelle. Das war`s.
Kein Bett oder ähnliches.
Foto: SWR, Nowak |
Zu Beginn sollten alle
Männer glattrasiert
erscheinen, um den Ablauf der Zeit besser
sichtbar zu machen. Hier sind schon ca.
sechs Wochen rum.
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Die erste Nacht
war dann auch entsprechend hart und kalt: Die Kuhfelle auf dem nackten
Lehmboden, darauf wir,
als Decke ein Fell, welches immer wieder herunterrutschte. Wenn jemand
pinkeln mußte, quietschte die grobe
Bohlentür erbärmlich, so dass alle aufwachten.
Entsprechend gerädert waren wir am nächsten Morgen.
Am Tag unserer Ankunft war es heiß gewesen, irgendwas
zwischen 25 und 30° C, genau wie in den Wochen vorher.
Es lagen jetzt zwei Monate Steinzeitleben vor uns: Romantik und
Abenteuer, darauf hatten wir monatelang hingefiebert.
In der ersten Nacht war es wie gesagt empfindlich kalt. Aber am
nächsten Tag ging`s erst richtig los:
Die Temperatur fiel extrem und es fing an zu regnen.
Was keiner von uns wissen konnte: Es hörte praktisch vier
Wochen lang nicht mehr auf ...
Unser "Tagebuch", angefertigt an der Hüttenwand von Martin Burberg
Fotos: Doepgen |
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Wir
nehmen regelmäßig an Veranstaltungen teil, bei denen wir
eine jungsteinzeitliche Sippe darstellen.Wir erklären Werkzeuge,
Vorräte
und steinzeitliche Techniken wie Feuer schlagen, am Feuer kochen,
zwirnen, Korn mahlen, Bogen schießen, Keramik herstellen
und im Grubenbrand brennen. Wenn möglich beziehen wir die Zuschauer mit ein.
Zum Beispiel auf der Zeiteninsel in der Nähe von Marburg:
https://www.zeiteninsel.de/ oder beim Familientag im
Naturkundemuseum
in Kassel: https://naturkundemuseum.kassel.de/
Unsere Kinder sind - wenn sie Zeit haben - immer wieder gerne
dabei, sie würden sofort wieder so leben, wenn es möglich
wäre.
Hier ein link zu einem Wikipediaartikel über Das Steinzeit-Experiment: https://de.wikipedia.org/wiki/Steinzeit_%E2%80%93_Das_Experiment
Hier gibt es einen kleinen youtubefilm über die Herstellung einer steinzeitlichen Replik: https://www.youtube.com/watch?v=l6EILDVd4Co
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